Rede in der St. Katharinenkirche
im Gottesdienst zum Altjahresabend
Frankfurt am 31.12.2011 18:00 Uhr
im Gottesdienst zum Altjahresabend
Frankfurt am 31.12.2011 18:00 Uhr
Guten Abend,
sicher ist es etwas ungewöhnlich dass ich als Aktivist einer Protestbewegung hier und heute im Gottesdienst zu ihnen sprechen darf. Ich komme gerade von der Demonstration die Occupy:Frankfurt vor etwa einer Stunde unter dem Motto fünf vor zwölf am Rathenau Platz gestartet hat.
Wie vielen von ihnen sicher bekannt ist haben wir in der Grünanlage neben der Europäischen Zentralbank seit einiger Zeit ein Protestcamp aufgeschlagen. Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass es so nicht weitergehen kann. Die Probleme die zu lösen sind betreffen nur zum Teil die Euro-Probleme die in jüngster Zeit so viel von sich reden machen.
Wir glauben nicht, dass wir die Probleme lösen können, dafür sind wir zu wenige. Aber wir sehen unseren Protest als einzige Möglichkeit die gegenwärtigen Zustände anzuprangern. Letztendlich sind wir dort stellvertretend – auch für alle die Menschen, die es entweder noch nicht gemerkt haben oder es nicht wahrhaben wollen, dass es schon viel zu lange fünf vor zwölf ist.
Unser noch junger Protest hier in Frankfurt ist erst 11 Wochen alt und doch haben wir angefangen etwas in der Gesellschaft zu bewegen. Noch ist diese Veränderung ein zartes Pflänzchen. Wir werden nicht nachlassen die Gedanken von Occupy so oft als irgend möglich in die Öffentlichkeit zu tragen, dann wird aus dem Keim dieser Bewegung auch ein starker Baum. Vergessen wir nicht das Beharrlichkeit stets zum Ziel führt; Gandhi hat Indien auch nicht in drei Tagen befreit. Das ist der Grund warum ich heute zu ihnen spreche und ihnen einige Teile der Eröffnungsansprache unserer heutigen Demo zu Gehör bringen möchte.
Es gibt viele persönliche Gründe warum ich mich Occupy:Frankfurt angeschlossen habe und weder die kurze Redezeit hier noch ein die ganze Nacht währender Vortrag könnte alle diese Gedanken umfassend beleuchten. So werde ich mich auf einige wenige Aussagen beschränken.
Seit Jahrzehnten werden wir darauf getrimmt, das nur das neueste Spielzeug oder Automodell zählt und nur der Trend für Mode und Urlaub ein Anrecht auf Bedeutung hat. Wer da nicht mithalten kann oder will wird oft als faul und unfähig abgetan. Darüber wird dann schnell vergessen, dass das Menschsein auch noch andere Werte kennt.
Es ist fünf vor zwölf wenn Konsum wichtiger wird als das Gespräch!
Seit langer Zeit schon wird gezielt daraufhin gearbeitet, dass wir unsere kulturelle Identität und Bildung verlieren. Für jedwede Bankenrettung sind ungezählte Milliarden kein Problem. Aber wenn es darum geht Kindergärten, Schulen und Universitäten zu finanzieren jammern alle Entscheidungsträger: “Wir haben kein Geld”. Unglaublich viele Politiker agieren nach dem Motto: vor der Wahl belügen – nach der Wahl betrügen!
Es ist fünf vor zwölf wenn ich merke dass die Menschen für dumm verkauft werden sollen!
Wir leben in einem Land in dem ich Menschen für weniger als 4 € brutto arbeiten lassen darf ohne dass ich wegen Lohn-Sklaverei ins Gefängnis muss. Ich darf mich also am Elend einzelner ungestraft bereichern und aus Steuermitteln wird die Differenz zum absoluten Lebens-Minimum bezahlt. Von der Menschenwürde und einer Teilhabe an der Gesellschaft im Sinne des Grundgesetzes ist bei den momentanen Löhnen nicht ernsthaft auszugehen. Durch ein solches System werden die gesellschaftlichen Unterschiede immer größer und bei dem vorherrschenden Raubtierkapitalismus übernehmen Stück für Stück nur wenige multinationale Konzerne die Macht auf diesem Planeten.
Es ist fünf vor zwölf wenn ich sehe wie die Geldwirtschaft die demokratischen Möglichkeiten der Menschheit immer mehr aushebeln und unterdrücken!
In den achtziger Jahren skandierten die Umweltschützer einen Slogan der bis heute nichts von der Dramatik seiner Aussage eingebüßt hat. Sie alle werden ihn kennen: Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann. Seit dem hat sich zwar in ungezählten Einzelprojekten einiges getan. Aber an der „Profit über alles“ – Mentalität hat sich global betrachtet nichts aber auch gar nichts geändert. Anstatt dass die sogenannten Industrienationen den so genannten Entwicklungsländern helfen würden ihre Umwelt zu schonen, werden nicht zuletzt mit Hilfe der Weltbank, der Welthandelsorganisation und anderer ähnlich konstruierter Machtapparate diese Länder genötigt, erpresst oder mit Gewalt gezwungen so zu funktionieren, dass die multinationalen Konzerne den größtmöglichen Nutzen daraus ziehen. Wie lange wollen wir uns das gefallen lassen?
Es ist fünf vor zwölf wenn ich daran denke wie ungebremst die Natur in allen Teilen dieser Welt Stück für Stück vernichtet wird!
Ich würde mich freuen wenn meine kurze Rede ihnen ein Stück Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben konnte.
Denken Sie immer daran:
Es ist fünf vor zwölf für die ganze Welt – und es ist fünf nach zwölf wenn Occupy aufhört die Worte des Protests in die Welt hinaus zu tragen.
Ich hoffe wir sehen uns gelegentlich auf einer Demonstration oder in unserem Protestcamp wieder. Kommen Sie gut ins neue Jahr.