NoTroika Kundgebung vor der EZB am 15.02.2012
Hallo Frankfurt….
Hallo Gäste….
Heute sind wir mit unserem Protestcamp vier Monate und einen Tag hier vor der Europäischen Zentralbank. Bevor ich zum eigentlichen Thema meiner Rede komme möchte ich mich im Namen von Occupy:Frankfurt bei allen Freunden und Besuchern für ihre nicht nachlassende Unterstützung bedanken. Ohne die Hilfe dieser vielen Menschen hätten wir es nicht geschafft das Camp als Zeichen unserer Empörung zu erhalten. Oft werden wir nach unseren Forderungen gefragt und in den Medien werden wir häufig als die Bewegung der Kapitalismus-Kritiker bezeichnet. Es ist sehr bequem diese Schublade zu öffnen Occupy hinein zu stecken und die Schublade wieder zu schließen. Das wird aber der Bewegung nicht gerecht. Die kritische Betrachtung der aktuellen Auswüchse des Kapitalismus ist nur ein Aspekt unserer Bewegung. Es existiert eine vorläufige Liste von über 60 Themen-Gebieten die wir zunächst inhaltlich analysieren müssen um überhaupt die Möglichkeit zu haben einen halbwegs Ziel führenden Forderungskatalog zu erstellen. Aus diesem Grunde sehe ich die aktuelle Funktion unserer Bewegung eher darin auf mögliche Missstände und Fehlentwicklungen hinzuweisen, als darin einen Forderungskatalog von A bis Z der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Doch nun zu dem eigentlichen Thema meiner heutigen Rede. Bei meinen Recherchen über die Vertragsgrundlagen und die Geschäftspolitik der Europäischen Zentralbank stieß ich selbstverständlich auch auf Mario Draghi. Er ist ein kreativer Bilanz-Frisör mit einem großen Instrumentenschrank der sich nahezu perfekt in die aktuellen Anforderungen seiner Position einpasst. Ich bin weder Rechtsanwalt noch Richter, also kann ich nicht beurteilen ob seine Aktionen in Vergangenheit und Gegenwart in irgendeiner Art und Weise strafrechtlich relevant sind; zumindest aber sind sie moralisch äußerst fragwürdig. Es geht hier auch nicht darum Herrn Draghi als einzig Verantwortlichen für die aktuellen Zustände hinzustellen. Klar ist das andere Entscheidungsträger in unserer Gesellschaft von allen Umständen Kenntnis haben, ansonsten müsste man zu dem fatalen Schluss kommen, dass ich besser informiert bin als die Akteure innerhalb der Troika.
Unter der maßgeblichen Federführung von Herrn Draghi verlieh im Jahre 2001 Goldman Sachs im Rahmen eines Währungs-Swap-Geschäfts an Griechenland in einer komplexen Transaktion mehrere Milliarden Dollar. Der Deal war so strukturiert, dass Griechenland damit seine Verschuldung senken konnte. Unter anderem wurde durch diese Bilanz-Verschönerung Griechenland ermöglicht in die Euro Zone einzutreten. Von 2002 bis 2005 war Mario Draghi Vizepräsident bei Goldman Sachs in London und dort zuständig für Geschäfte mit Regierungen.
Hat Goldman Sachs, eine der profitabelsten Investmentbanken der Welt, mit halblegalen Tricksereien im Jahr 2001 den Beitritt Griechenlands zur Eurozone ermöglicht? Dieser Frage wird sich ein Sonderausschuss des Parlaments in Athen widmen, erklärte der damalige Ministerpräsident Griechenlands Papandreou Ende September 2010 bei einer Pressekonferenz. Stein des Anstoßes war ein Gutachten von Goldman Sachs, das als Plan für ein kompliziertes Wertpapiergeschäft des griechischen Finanzministeriums diente. Durch eine möglichst undurchsichtige Strukturierung war es möglich, neue griechische Staatsschulden als Währungs-Swap-Geschäft auszuweisen. Damit galten sie laut den damaligen Regeln des EU-Statistikamtes Eurostat nicht als offizielle Schulden. Auch die amerikanische Notenbank, der Senat, die US-Börsenaufsicht und andere Stellen haben sich mit diesem Thema schon befasst.
Ich frage mich, warum ist dieses Thema aus der öffentlichen Berichterstattung nahezu verschwunden?
Ist es möglicherweise politisch gewollt die Bevölkerung über diese Zusammenhänge im Unklaren zu lassen?
Das die Inszenierung und Durchführung solcher Geschäfte innerhalb der Privatwirtschaft Karrieremöglichkeiten eröffnet ist für mich nachvollziehbar. Aber bei einer solchen finanzgeschäftstechnischen Historie wundert mich eine Pressemitteilung vom Juni 2011 doch schon sehr:
Nüchtern, seriös und hochqualifiziert - der Italiener Mario Draghi gilt als Idealbesetzung für den Chefposten bei der Europäischen Zentralbank. Seine Ernennung beendet die leidige Personaldebatte und löst in ganz Europa Erleichterung aus.
Wenige Tage vor seinem Amtsantritt liest sich dann die Presse wie folgt:
Bislang hat er sich zurückgehalten, doch nun spricht der künftige EZB-Präsident Klartext: Mario Draghi hat angekündigt, den umstrittenen Kurs seines Vorgängers fortzusetzen und weiter Staatsanleihen von Krisenländern zu kaufen. Da fragt sich doch ob die neue Galionsfigur überhaupt die Hausaufgaben gemacht hat und die Verträge auch studiert hat, denn das EZB-Mandat ist gesetzlich klar geregelt: Die Währungshüter sollen die Inflation bekämpfen, der Kauf von Staatsanleihen im großen Stil - was dem Drucken von frischem Geld entspräche - ist nicht vorgesehen.
Ein klein wenig Hoffnung keimte drei Wochen später bei mir auf, als Herr Draghi sich auf einer Konferenz in Frankfurt mit folgender Aussage zu Wort meldete:
Die EZB verliere ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie mit noch mehr Geld auf den Finanzmärkten eingreift.
Aber das man nie den Worten und nur den Taten Glauben schenken soll beweisen zwei nackte Zahlen. Zum Zeitpunkt seiner Amtsübernahme besaß die EZB Staatsanleihen in Höhe von fast 170 Milliarden Euro. Heute, dreieinhalb Monate später ist dieser Papierberg auf circa 220 Milliarden Euro angewachsen. Und auch das ist nur die halbe Wahrheit wie wir gleich sehen werden.
Laut dem EU-Vertrag ist auch die Europäische Kommission mit dafür zuständig den Ankauf solcher Staatspapiere zu überwachen. Der Ankauf solcher Schuldtitel am Sekundärmarkt darf nicht zu indirekter monetärer Finanzierung der öffentlichen Hand führen. Und genau das passiert seit mehreren Jahren mit Vorsatz und bei vollem Bewusstsein der Verantwortlichen. Schließlich bin ich nicht so vermessen den Entscheidungsträgern Dummheit, Unfähigkeit oder sogar geistige Umnachtung zu unterstellen.
Ursprünglich war es vorgesehen,dass die EZB mit den Mitteln der freien Marktwirtschaft Kredite an private Geschäftsbanken vergibt. Über mehrere Jahre hin wurde folgendes praktiziert:
Einmal pro Woche gab es eine Auktion über die Vergabe von Zentralbankgeld. Der sogenannte Leitzins war der Mindestbietungszinssatz. Die Laufzeit dieses Kredites war immer eine Woche. Die Banken, die das höchste Zinsgebot abgaben erhielten den Zuschlag. Das bedeutet, dass bei höheren Zinsen am freien Kapitalmarkt auch die EZB höhere Zinsen für ihr Geld erhält. Der Vorteil für die Allgemeinheit besteht darin, dass mit einer kleinen Gewinnmarge das Kreditausfallrisiko von Staatsanleihen auf die Geschäftsbanken abgewälzt wird.
So weit - so gut!
Aber seit dem 15. Oktober 2008 wurden diese Bedingungen grundlegend geändert: Ab diesem Datum verleiht die EZB das Geld zum Leitzins und die Zuteilung von Geldern erfolgt im prozentualen Verhältnis zu der von den Geschäftsbanken angefragten Kreditmenge. Bei nur einer Woche Laufzeit ist auch hier die Problematik noch überschaubar. Völlig ad absurdum geführt wurde dieses Verfahren jedoch vor einigen Wochen. Die EZB gab zum Leitzins von einem Prozent 500 Milliarden Euro bei einer Laufzeit von drei Jahren aus.
Das bedeutet, dass wenn sich eine Geschäftsbank das Geld für 1% ausleiht und es dann zu etwa 5% in etwas wackelige europäische Staatsanleihen investiert, dann kann die gleiche Bank diese Papiere als Sicherheit bei der EZB einreichen und sich wiederum für 1% weiteres Geld ausleihen. Also ein finanzielles Perpetuum Mobile mit Profit und ohne Risiko. Platzt die Kreditblase dann kann die Geschäftsbank ja sagen bitteschön zieht die gegebenen Sicherheiten ein. Wir sind nicht in der Lage das Bargeld aufzubringen. Ergo trägt das Risiko die EZB, also wir. Ein Schelm, wer glaubt das diese 500 Milliarden nicht in halbfaulen Staatsanleihen investiert sind.
Lasst uns eine einfache Rechnung aufmachen. Drei Jahre mal 4% Zinsdifferenz mal 500 Milliarden ergibt 60 Milliarden Geschenk für die privaten Geschäftsbanken. Es ist doch selbstverständlich, dass die sich königlich darüber freuen. Gestern musste ich in der Zeitung lesen, dass eben diese positive Reaktion des Marktes als Begründung herangezogen wird um Ende diesen Monats noch einmal etwa 500 Milliarden oder diesmal sogar 1 Billion Euro zu ähnlichen Konditionen in den Markt zu pumpen. Wenn die Europäische Zentralbank die Märkte mit billigem Geld flutet, kaufen die Banken wieder halbfaule Staatsanleihen und verdienen glänzend. Dadurch wird die Kreditwürdigkeit der Euro-Länder weiter sinken.
Da frage ich mich doch ob Herr Draghi diese Finanzpolitik selber glaubt oder ob er uns für dumm verkaufen will?
Wie weit das demokratische Verständnis unseres EZB-Präsidenten geht lässt sich an einem einfachen Beispiel aufzeigen. Bei einer Diskussion über die erneute Zinssenkung im vergangenen Dezember wurde die eigene Meinungsbildung der anwesenden 23 Herren rüde vergewaltigt.Stimmenthaltungen wurden einfach mit Ja gewertet und dadurch dieser Zinsschritt undemokratisch durchgepeitscht. Vielleicht wäre Herr Draghi als Leiter der nordkoreanischen Staatsbank besser aufgehoben, zumindest stoßen solche Methoden dort nicht auf so viel Unverständnis.
Ich weiß nicht, was ihr wollt, die ihr so zahlreich an dieser Kundgebung teilnehmt und ich weiß auch nicht was Occupy:Frankfurt will, da wir nie eine inhaltliche Abstimmung über dieses Thema hatten. Aber zumindest weiß ich was ich will:
Ich fordere ein Ende der Geldgeschenke an den privaten Bankensektor!
Ich fordere die Datenoffenlegung der als Sicherheit akzeptierten Staatsanleihen!
Ich fordere ein Ende der erpresserischen Destabilisierung Griechenlands!
Danke für die Aufmerksamkeit.