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Detaillierte #NoG20-Analyse:
G20 verwandelt Hamburg in einen rechtsfreien Polizeistaat
Demonstrationsfreiheit weitreichend aufgehoben – Pressefreiheit vorsätzlich missachtet – Menschenrechte mit Füßen getreten – Medizinische Hilfe unterbunden – Öffentlichkeit massiv belogen – Gerichtsurteile rücksichtslos ignoriert – ungezählte Menschen gejagt, misshandelt und verletzt – Rechtsbeugung und Willkür durch Gericht und Justiz – Medienberichte weitreichend einseitig – eine objektive G20 Bilanz sieht anders aus
Von Thomas Occupy. Hamburg, 4. bis 8. Juli 2017. Gleich vorausschickend muss ich sagen, dass der gesamte Protest gegen den G20 Gipfel in Hamburg in seiner Größe so vielfältig und unübersichtlich war, dass es mir unmöglich erscheint einen auch nur halbwegs umfassenden Bericht zu schreiben. Das gleiche gilt für die Gewalt von Polizei und Zivilisten, sowie für die Behinderungen von Sanitätern, Medien- und Rechtsvertretern, Demobeobachtern und den ungezählten Hamburger Bürgerinnen und Bürgern und all den Touristen, die sich trotz des Gipfels in die Stadt getraut haben. Es war auch unmöglich alle Situationen persönlich mitzuerleben, so dass ich an einigen Stellen des Berichts auf Bilder, Wahrnehmungen und Meinungen Dritter zurückgreifen muss. Teile dieses Berichts liegen außerhalb meiner Anwesenheit in Hamburg. Ich werde in diesem Bericht hauptsächlich jene Tatsachen beleuchten, die in der aktuellen, einseitigen Gewaltdebatte über den G20 Protest häufig unter den Teppich gekehrt werden. Mehr als 1000 Quellen und Hinweise habe ich in wochenlanger Analyse gesichtet und geprüft. Trotz dem Umfang dieser Analyse musste an vielen Stellen die Darstellung der Ereignisse, teils extrem verkürzt werden, damit eine leicht lesbare Darstellung der Ereignisse rund um den Protest gegen den G20 Gipfel ermöglicht wird. Nur Quellen, deren Authentizität mir bekannt ist finden Eingang in diesen Report. Alle Tatsachenbeschreibungen Dritter entsprechen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem tatsächlichen Geschehen. Um keinen falschen Eindruck zu erwecken sei schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Plünderung von Geschäften und das Abfackeln von Autos genauso verwerflich ist, wie die Gewalt der Polizei gegen Sanitäter, Journalisten und friedliche Demonstranten. Die Vielzahl der hier beleuchteten Ereignisse und die sich daraus ergebenden Fragen und Schlussfolgerungen zeichnen ein verstörendes Bild von der Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland.
Vorbereiteter Hinterhalt Ecke Brandstwiete / Willy-Brandt-Straße gegen Demonstration „Grenzenlose Solidarität statt G20“
Schon im Vorfeld unternahmen Vertreter von Politik und Polizei den Versuch, durch an den Haaren herbeigezogenen Gefahrenprognosen die Proteste zu kriminalisieren und zu spalten. Die Medien unterstützten diese Absichten durch die ständigen Rückfragen zu Verurteilung und Abgrenzung von Gewalt bei den Sprechern des Protests. Gleichzeitig wurde durch eine umfangreiche Verbotsorgie der angemeldeten Proteste der Versuch unternommen möglichst viele Menschen davon abzuhalten sich dem Protest anzuschließen. Leider ist diese Strategie zum Teil aufgegangen. Federführend durch den BUND wurde eine Spaltung in den zuvor spektrenübergreifend geschlossenen Protest bewirkt. Campact, DGB und weitere Organisationen schlossen sich dieser Spaltung an um nicht mit den „Schmuddelkindern“ in einen Topf geworfen zu werden. Anstatt gemeinsam zu einer großen Abschluss-Demonstration zu mobilisieren, wurde schon für den Sonntag vor dem G20 Gipfel für eine Demonstration aufgerufen. Sprecher der #G20Protestwelle äußerten sich Medien gegenüber, dass sie mit den gewaltbereiten Demonstranten vom #NoG20 Bündnis nichts zu tun haben wollen und verunglimpften damit auch die Zehntausenden, die trotz Provokationen und Übergriffen der Polizei an ihrem inhaltlichen Protest festhielten, und sich auch unter dem rechtswidrigen und gewalttätigen Vorgehen der eingesetzten Polizeitruppen nicht zu aktiver Gegenwehr haben hinreißen lassen. Als völlig schizophren zu werten ist der Aufruf Hamburger Parteien und Anderer, der unter dem Motto „Hamburg zeigt Haltung“ für eine gesonderte Demo am letzten Tag des G20 Gipfel mobilisierte. Da sollte der Eindruck von Protest erweckt werden und diente nur dem Zweck, möglichst viele aus der Bürgerlichen Mitte von der tatsächlichen Protestveranstaltung abzuhalten. Beide Spaltungs-Demonstrationen hatten aber trotz alledem nicht die beabsichtigte Anziehungskraft.
Journalisten misshandelt – Pressefreiheit ignoriert – Berichterstattung unterbunden
Schon im Vorfeld des G20 Gipfels wurde in Ignoranz des Grundrechts der Pressefreiheit diversen Journalisten die Akkreditierung ohne jede Begründung verweigert. Während des Gipfels wurde 32 weiteren Journalisten die Akkreditierung nachträglich aberkannt; bei 9 wurde sie an den Zugangsschleusen auch tatsächlich eingezogen. Zunächst hatte das Bundeskriminalamt (BKA) keine konkrete Auskunft zum Ausschluss von Journalisten geben wollen (http://faktenfinder.tagesschau.de/inland/gzwanzig-journalisten-bka-101.html). Tage später verdichteten sich die Hinweise, dass aufgrund ausländischer Wünsche die Pressefreiheit für einige Medienvertreter eingeschränkt wurde (https://www.tagesschau.de/inland/journalisten-akkreditierung-101.html). Schließlich begründete das BKA den Entzug von Akkreditierungen gegenüber dem „Deutschen Journalisten-Verband e.V. (DJV)“ damit, dass innerhalb des Sicherheitsbereichs eine lückenlose Überwachung dieser 32 Journalisten nicht möglich gewesen sei (https://www.djv.de/fileadmin/user_upload/18.07.2017_Antwortschreiben_BKA.pdf). Durch diesen Vorgang wurde erst jetzt bekannt, dass seit mehr als zehn Jahren bestimmte Journalisten bei Bedarf durch deutsche Polizeibeamte beaufsichtigt werden. Das sei nichts Ungewöhnliches, sondern schon häufiger vorgekommen, hieß es aus Sicherheitskreisen (http://www.sueddeutsche.de/medien/pressefreiheit-journalisten-werden-offenbar-seit-zehn-jahren-beobachtet-1.3584288). Da taucht doch die berechtigte Frage auf, was das BKA unter Pressefreiheit versteht. Lückenlose Überwachung von Medienvertretern kennt man sonst eher von China oder Nord-Korea. Dazu kommt noch die Tatsache, dass Journalisten während des Protests teils massiv von der Polizei behindert wurden. Vorsätzliche Straftaten gegen Journalisten durch die Polizei sind eindeutig belegt. Wenn selbst der DJV auf Twitter fragt: „Hat die Polizei gezielt Jagd auf Journalisten rund um den G20-Gipfel gemacht?“ (https://twitter.com/DJVde/status/884342849306865664), dann muss sich auch der gutgläubigste Bürger fragen ob hier nicht gezielt und vorsätzlich die Pressefreiheit in weiten Bereichen außer Kraft gesetzt worden ist. Wer jetzt vor lauter Unglauben über solche Behauptungen nicht weiß wem er glauben soll, der kann sich leicht bei einer Sammlung von Quellen ein eigenes Bild machen:
- Deutscher Journalisten-Verband e.V.: "Mir wurde Presseausweis weg- & in Bauch geschlagen, Pfefferspray ins Gesicht." So lautet der Tweet eines Journalisten, der Opfer des Polizeieinsatzes am Protestcamp in Entenwerder wurde. Dass er sich als Journalist ausweisen konnte, schien den Polizisten egal zu sein. Unter dem Twitter-Hashtag #Entenwerder ist von weiteren Übergriffen auf Journalisten zu lesen. https://www.djv.de/startseite/service/blogs-und-intranet/djv-blog/detail/article/ohne-mass.html
- neues deutschland, Zeitung: Polizei prügelte in Entenwerder auch auf Journalisten ein https://www.neues-deutschland.de/artikel/1056130.polizei-pruegelte-in-entenwerder-auch-auf-journalisten-ein.html
- Huffingtonpost, Zeitung: Flo Smith berichtet unter dem Titel: „Die Presse ist beim G20-Gipfel in Hamburg nicht mehr sicher“ von Polizeiübergriffen gegen das eigene Team. (http://www.huffingtonpost.de/flo-smith/die-presse-ist-hier-nicht-sicher_b_17434624.html)
- Hans-Jürgen Burkard, stern-Fotograf: (Bericht über 2 gezielte Angriffe der Polizei gegen ihn – 1x Wasserwerfer m. Foto – 1x Pfefferspray) http://www.stern.de/panorama/stern-crime/stern-fotograf-hans-juergen-burkard-keine-polizeigewalt--herr-buergermeister--das-stimmt-nicht--7539418.html https://mobile.facebook.com/story.php?story_fbid=10154873725767677&id=613002676&_rdc=1&_rdr&refsrc=http%3A%2F%2Ft.co%2FvXlsv9Ckwr
- Martin Eimermacher, Journalist: Mein Arm wurde weggestoßen mit dem Presseausweis. Mit Schlägen und Tritten wurden wir quasi eingekesselt. Ich hab mehrfach gerufen, ich bin von der Presse, ich will raus. Und dann habe ich nur noch Pfefferspray in meinem Gesicht gespürt, das aus maximal einem halben Meter Entfernung auf uns gesprüht wurde. http://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/g-zwanzig-gipfel-100.html
- Unicorn Riot, Video: Police attack the press with batons, punch cameras, and break equipment during the NoG20 "Welcome to Hell" protests in Hamburg. https://twitter.com/UR_Ninja/status/883312293026693120
- Unicorn Riot, Video: Unicorn Riot journos were hit 22x by water cannons, pepper sprayed 8x, hit by batons 3x, cameras attacked 3x, tear gassed 4x, & more https://twitter.com/UR_Ninja/status/886680038573309952
- Perspektive Online, Zeitung: Unsere ReporterInnen sind massiv von der @PolizeiHamburg mit Pfefferspray angegriffen worden. https://twitter.com/PerspektiveOn/status/883386157043781633
- Chris Grodotzki, Multimedia Journalist & Photographer: Police just peppersprayed me at point blank range in the face. second time they put me out of business today. fuck this shit. https://twitter.com/visrebel/status/883811039200116736
- Wiebke Harms, Journalistin: Polizist über meinen Presseausweis: "Der Scheiß ist nichts wert." Klasse Demokratieverständnis! https://twitter.com/Doubleyoueiebke/status/883343645872709633
- Christoph Hedtke, (Photo-)Journalist: Das war übel. Selten so was gewalttätiges gesehen. Nicht nur auf Demonstranten sondern auch gezielte Schläge auf Sanis & Journalisten https://twitter.com/c_hedtke/status/883037117202391040
- Christoph Hedtke, (Photo-)Journalist: Es eskaliert mal wieder. Direkter Tonfaschlag von oben auf Kopf von Journalisten. https://twitter.com/c_hedtke/status/883229492294144000
- Christoph Hedtke, (Photo-)Journalist: Es war im Übrigen wieder das USK. Schlag kam von hinten auf ungeschützten Kopf von gekennzeichnetem Journalisten https://twitter.com/c_hedtke/status/883232819702583296
- Sören Kohlhuber, Journalist: thüringer sek richtet g36 u.a. Gezielt auf Journalisten um sie zu vertreiben https://twitter.com/SoerenKohlhuber/status/883449024745021441
- Danny Hollek, Journalist & Fotograf: Polizist*innen haben gestern mit G36 im Anschlag Journalist*innen bedroht. Da ist mir der Rewe echt nicht so wichtig. https://twitter.com/dannytastisch/status/883607068132786176
- Tim Lüddemann, Journalist: Die @PolizeiHamburg verweigert willkürlich Zugang zum Park Entenwerder, auch Journas wie mir mit Presseausweis. https://twitter.com/timluedde/status/881528225553412097
- Erik Marquardt, Fotograf: Habe Polizist meine Presseakkreditierung gezeigt. Er sagte: "Ist mir scheißegal, verpiss dich hier." Dann trat er zu. https://twitter.com/ErikMarquardt/status/883457770942541824
- Erik Marquardt, Fotograf: Doof für den Polizisten, dass 1700 Leute im Livestream zugeschaut haben, als er mich anschrie und mir das Handy wegriss. https://twitter.com/ErikMarquardt/status/883832582596644866
- Ruben Neugebauer, Photojournalist: Polizist: "Mit #Pressefreiheit ist jetzt Schluss" https://twitter.com/RubenNeugebauer/status/883445005230243840
- Frank Schneider, Chefreporter: Polizei geht bei Ausschreitungen der Welcome to hell auch aggressiv gegen Journalisten vor, völlige Eskalation https://twitter.com/chefreporterNRW/status/883029040550096898
- Frank Schneider, Chefreporter: Bayerische Einsatzkräfte drehen am Rande der Schanzen-Räumung komplett durch, greifen Unbeteiligte und Reporter gezielt an! https://twitter.com/chefreporterNRW/status/883443176211701760
- Frank Schneider, Chefreporter: Polizisten greifen an Schanze gezielt Journalisten an: "Ab jetzt gibt's keine Pressefreiheit mehr, hau ab oder ins Krankenhaus! https://twitter.com/chefreporterNRW/status/883445804744278016
- Streetphoto, Fotojournalist: Kollege wurde heute Abend mit dem Kommentar 'scheiß egal ob du Presse bist' ins Gesicht gepfeffert. Folge: 2h Krankenhaus https://twitter.com/streetphotoSE/status/883468792206159874
Die Polizei – dein Freund und Helfer – oder Sadisten und Gewalttäter in Uniform?
Vielleicht eine provokante Frage, jedoch die schier unglaubliche Zahl an bereits dokumentierten und noch in der Prüfung befindlichen rechtswidrigen Übergriffe durch Einsatzkräfte im Rahmen des #NoG20 Protests werfen Fragen auf. Zielt die Ausbildung der Polizei darauf ab unnötige Gewaltanwendung als Automatismus in die Handlungsabläufe der Polizei zu integrieren? Gibt es im Rahmen einer solchen Einsatzlage gezielte interne Meldungen innerhalb des Polizeiapparats um die Beamten auf der Straße aufzustacheln? Werden Sadisten und Gewalttäter innerhalb der Polizei geduldet oder gar gefördert? Keine dieser Fragen kann im Rahmen dieses Artikels beantwortet werden. Eins jedoch ist völlig klar: Innerhalb der vermummten und anonymen Masse nicht gekennzeichneter Einsatztruppen fällt eine Überschreitung gesetzlicher Vorgaben besonders leicht. Eine erfolgreiche Strafverfolgung polizeilicher Gewalt ist eher unwahrscheinlich und augenscheinlich durch Innenministerium und Polizeiführung auch nicht gewollt. Anders ist es nicht zu erklären warum die Einsatzhundertschaften keine individuelle Kennzeichnung tragen. Einige Bundesländer haben zwar eine Kennzeichnungsvorschrift, dieser wird jedoch, falls überhaupt mit einer klein geschriebenen, langen und schwer zu merkenden Zahlenreihe Genüge getan. Eine leicht zu merkende Nummer, ähnlich einem Autokennzeichen ist bisher bei fast keiner Polizeieinheit in Gebrauch. Gerade im Bereich der Übergriffe gegen Demonstranten und Unbeteiligte sind bereits Hunderte gemeldet. Deshalb werden in diesem Artikel auch nur einige wenige, besonders krasse Beispiele näher erläutert. Weitere Zeugnisse polizeilicher Übergriffe (alle Personengruppen) rund um den G20-Gipfel werden hier gesammelt:
Videos von rücksichtsloser Polizeigewalt
Ein mit Kabelbindern gefesselter Mensch wird von der Polizei wie ein totes Tier über den Boden geschleift. Im Video sieht man, dass zusätzlich Pfefferspray gegen Umstehende eingesetzt wird. Zusätzlich zeigt der angehängte Gesprächsfaden wie die Hamburger Polizei solche menschenverachtenden Szenen beurteilt (https://twitter.com/PerspektiveOn/status/883421298856251394):
- Marder @Bockwuarscht 7. Juli: „@PolizeiHamburg so geht man also mit Demonstranten um? Ihr habt jede würde verloren“
- Polizei Hamburg @PolizeiHamburg 7. Juli: „Und was hat die Person vorher getan?“
- Fabster @Fabster_LE 7. Juli: „Die Antwort mit was sie vorher getan hat zeigt was ihr seid ... miese Schlägertruppe“
Das Foto der Frau auf dem Räumpanzer ging bereits weltweit durch die Presse. In dem Video https://vimeo.com/224833926 sieht man bei 04:28, dass die Frau auf den Panzer klettert und dass die Polizei, ohne von ihr angegriffen worden zu sein, sofort massiv Pfefferspray gegen sie einsetzt. Zwar hat das hessische Innenministerium zugesagt gegen die eigenen, dort eingesetzten Einheiten zu ermitteln. Ob dies jedoch zu einer Verurteilung dieser Polizeibeamten führen wird, bleibt abzuwarten, ist jedoch in der gängigen deutschen Rechtspraxis mehr als fraglich.
Die Polizei behauptet aus der Demonstration „G20 Welcome to Hell" heraus massiv mit Steinen und Flaschen angegriffen worden zu sein. Mit dieser Darstellung wird die Öffentlichkeit gezielt belogen, um die rechtswidrige und unverhältnismäßige Polizeigewalt zu begründen. Vier Videos vom Anfang der Auflösung der Demonstration zeigen aus unterschiedlichen Perspektiven, dass die Polizei die Demonstration angriff, ohne dass Steine oder Flaschen flogen. Das setzt erst ein, nachdem die Polizei Schlagstöcke, Wasserwerfer, CS-Gas und Pfefferspray bereits eingesetzt hatte und nicht aufhörte gewaltsam gegen Alles und Jeden vorzugehen. Deutlich ist auch zu sehen, wie der Wasserwerfer auch gegen unbeteiligte Schaulustige eingesetzt wird. Zeitnah dazu wird auch versucht einen Fotografen mittels Wasserwerfer vom Dach zu schießen. Zumindest die versuchte fahrlässige Tötung kann man der Polizei hier wohl unterstellen:
Einen besonderen Hinweis verdient die Tatsache, dass entgegen der sonst üblichen Praxis die Anmeldung dieser Demonstration von der Versammlungsbehörde ohne jede Auflagen bestätigt wurde. Deshalb hatten Viele vorausgesagt, dass dies nur heißen könne, dass die Versammlung gar nicht erst losgehen dürfe. Tatsächlich wurde diese Demonstration bereits nach wenigen Metern von der Polizei massiv angegriffen. Der Journalist Martin Jäschke schreibt, dass der Einsatzleiter Hartmut Dudde bei einer Pressekonferenz der Polizei behauptete, dass die Eskalation bei der „G20 Welcome to Hell“ Demonstration durch zeitgleiche Flaschenwürfe von allen Seiten auf Polizei begann. Dieser Darstellung widerspricht er: “Kollegen und ich (zw. schwarzem Block und Polizei) haben das anders erlebt: Flaschenwürfe erst, als Polizei in die Demo einmarschierte.“ (https://twitter.com/jaeschko/status/884020022670225408). Diese Darstellung deckt sich mit meinen Beobachtungen und wird auch von weiteren Journalisten bestätigt, unter anderem von:
- Channoh Peepovicz https://twitter.com/Resis_Tante/status/884021678262673408
- Margherita Bettoni https://twitter.com/MargheBettoni/status/884038038543900672
- Philipp Löwe https://twitter.com/DonLejon/status/884041737311846403
Eine sehr detaillierte Analyse zur Zerschlagung der „G20 Welcome to Hell"-Demonstration hat der „Initiativkreis gegen Polizeigewalt Berlin“ verfasst und kommt in seiner Analyse (http://ikgpg.blogsport.de/images/170706_g20_polizeiangriff_demonstration.pdf) zu der klaren Schlussfolgerung: „Wenn wir alle verfügbaren Informationen zusammenfassen, bleibt nur eine mögliche Lesart übrig: Bei dem äußerst gewalttätigen Polizeieinsatz gegen den vorderen Teil der „Welcome to Hell“-Demonstration am 06.07.17 ging es der Polizei und ihrer Führung darum viele Menschen aus diesem Bereich der Demonstration zu verletzen, zu traumatisieren, einzuschüchtern und von weiteren Protesten in Zukunft abzuhalten.“ Die Belege, die es über den tatsächlichen Verlauf des Polizeieinsatzes bei der „G20 Welcome to Hell“-Demonstration gibt, lassen abschließend nur noch wenige Fragen offen: Hat sich die Polizei wegen gemeinschaftlicher vorsätzlicher schwerer Körperverletzung strafbar gemacht? Und gibt es die Bereitschaft in Politik und Justiz diese Frage unvoreingenommen zu klären und das durch die Polizei begangene Unrecht strafrechtlich zu ahnden?
Weitere nur kurz kommentierte Videos mit Polizeigewalt – Zeitmarke in () :
- Polizeitrupp bei gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung. https://youtu.be/4wFx2CiVMZc
- Wasserwerfer wird gegen Demo-Sanitäter eingesetzt während sie Verletzten behandeln (00:20). https://vimeo.com/225553235
- Polizei drängt Helfende mit Schlagstöcken ab (00:06). https://youtu.be/BS24aeE_nig
- Mehrere Polizisten mit Schlagstöcken misshandeln Einzelperson. https://twitter.com/ststeindl/status/885077833852301313
- Bewaffnete Spezialkräfte zielen auf Journalisten (00:21). https://twitter.com/jaeschko/status/883815912398348290
- Ein Polizist steigt aus dem Wagen und schlägt grundlos zu (00:08). https://twitter.com/berti_fox/status/884046639513686018
- Polizist kommt um die Ecke und schlägt grundlos zu (00:05). https://twitter.com/fcmc_tv/status/883696815496978433
- Polizeitrupp rennt prügelnd in eine Menschengruppe (00:10). https://twitter.com/polizeigewalt20/status/884103716458070017
- Demonstrant will Polizei filmen - Faustschlag ins Gesicht (00:16) https://youtu.be/ihy12ChguNI
- Polizist schlägt Person mit erhobenen Händen brutal in die Rippen (01:21). https://vimeo.com/225546198
- Polizei verprügelt 2 junge Frauen. (Die Situation im Zusammenhang ab 01:18 https://youtu.be/24u9AzkaBSI) https://twitter.com/timluedde/status/884771370902671360
- Am Anfang des Videos massiver Wasserwerfereinsatz gegen Demonstranten, dann wird eine Demonstrantin viermal mit einem Schlagstock geschlagen bis sie zu Boden fällt (02:13). https://youtu.be/2wP_MgYmRoY
- Polizist stößt Pressefotografen ohne Vorwarnung um (01:03), anschließend wird die Presse von der Polizei zurückgedrängt (z.B. 01:50). https://youtu.be/ZYtS0M7OofM
- Rennender Polizist tritt mit voller Wucht am Boden liegenden Demonstranten. https://twitter.com/frmzck/status/883564977583517697
- Gezielter Wasserwerfer-Angriff auf Journalisten, augenscheinlich um die Ausrüstung zu zerstören (08:30). https://youtu.be/2xqYCPVVvzU
- Ansage der Polizei: "Kamera aus, sonst nehme ich sie dir weg!" (03:25). https://youtu.be/KGH8U10oIaY
- Polizei will Kamera entreißen und sprüht Pfefferspray auf Fotografen und Umstehende https://youtu.be/Cjg2KPobrTA
Angesichts dieser Beispiele erscheint die in der Woche nach G20 gemachte Aussage von Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD): "Polizeigewalt hat es nicht gegeben, das ist eine Denunziation, die ich entschieden zurückweise", wie ein Hohn (http://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Scholz-Polizeigewalt-hat-es-nicht-gegeben,scholz1300.html). Will er die Hamburger Bürger für dumm verkaufen oder warum lügt er so schamlos? Sollte Olaf Scholz das selber glauben, so müsste man an seiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln. In jedem Fall ist es eine Schande für Hamburgs Gesicht in der öffentlichen Wahrnehmung. Dass inzwischen etwa 100 Fälle von Polizeigewalt und Grundrechtsverletzungen beim G20-Gipfel dokumentiert sind, spricht für sich selbst. Am 19. Juni tagte der Innenausschuss der Hamburger Bürgerschaft. Dort sagte der Polizeipräsident Ralf-Martin Meyer, dass die Demonstranten in der Schanze auch mit Eisenspeeren bewaffnet gewesen seien. Komisch nur, dass es nicht ein Foto und nicht eine Videoaufnahme davon gibt. Also muss man bislang davon ausgehen, dass der Hamburger Polizeipräsident den Innenausschuss schamlos angelogen hat um von der maßlosen Polizeigewalt etwas abzulenken. In die gleiche Kerbe schlägt der Einsatzleiter der Polizei Hartmut Dudde, indem er sagt, dass der Einsatz gut gelaufen sei und die Zahl der während G20 verletzten Polizisten in einem Akt kreativer Eigenmächtigkeit auf 709 nach oben biegt. Dudde selbst hatte am 09. Juli auf der Abschluss-Pressekonferenz noch von 476 Verletzten gesprochen. Dass selbst diese geringere Zahl an den Haaren herbeigezogen ist, zeigt BuzzFeed in seiner Analyse (https://www.buzzfeed.com/marcusengert/bei-g20-protesten-weniger-polizisten-verletzt-als-gemeldet). Nur die Wenigsten wurden durch Gewalteinwirkung von Demonstranten verletzt. Die größte Anzahl erklärt sich durch Dehydrierung, Kreislaufprobleme, „friendly fire“ durch eigenes Reizgas oder Einzelne waren einfach zu unfähig einen einfachen Zaun zu übersteigen.
Nur 21 Beamte waren am Folgetag der Krankmeldung noch nicht dienstfähig und offiziell schwer verletzt sind nur zwei Beamte der Bundespolizei. Besonders perfide ist auch die Realitätsumdeutung durch das hessische Innenministerium. Die 130, durch eigenes Reizgas verletzten Polizisten wurden kurzerhand zu Opfern der Demonstranten umdeklariert. Zunächst berichtete der Hessische Rundfunk, dass dutzende hessische Polizisten sich selbst verletzten, als sie mit Tränengas gegen G20-Gegner vorgehen wollten. Dies habe zu Augentränen und -rötungen geführt, so ein Polizei-Sprecher (https://www.taz.de/Was-fehlt-/!5428147/). Am nächsten Tag erklärte ein Sprecher des Innenministeriums, dass Gipfelgegner das Gas eingesetzt hatten (http://hessenschau.de/panorama/130-hessische-polizisten-durch-reizgas-leicht-verletzt-,polizisten-traenengas-100.html). Komisch nur, dass auf der Bilanz-Pressekonferenz mit Polizeipräsident Ralf-Martin Meyer und Gesamteinsatzleiter Hartmut Dudde, der vermeintliche Großangriff, der immerhin für fast dreißig Prozent aller bei G20 verletzten Polizisten verantwortlich sein soll, mit keinem Wort erwähnt wurde. Ein flächenwirksamer Reizgas-Angriff durch militante Demonstranten wäre wohl auch einmalig in der deutschen Demonstrationsgeschichte und ist alleine durch die hierzu benötigte Ausrüstung mehr als unwahrscheinlich. Dass die Behörden Verletztenzahlen zumindest teilweise frei erfunden haben, lässt sich durch die Antwort des Hamburger Senats (https://assets.documentcloud.org/documents/3901063/Kleine-Anfrage-Schneider-Verletzte-G20.pdf) auf eine schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) leicht belegen. Dort wird die Zahl der hessischen, durch Reizgas verletzten Polizisten mit 77 angegeben, während das hessische Innenministerium von 130 spricht. Aus den ursprünglich offiziell gemeldeten zwei schwerverletzten Polizeibeamten wurden hier neun, von denen aber nur sieben stationär behandelt wurden. Wo werden schwer verletzte Polizisten maximal ambulant behandelt? Das da was nicht stimmt ist offensichtlich.
Polizei attackiert Sanitäter, Rechtsanwälte und parlamentarische Beobachter
Die Menschenrechte missachtet und den Rechtsrahmen völlig gesprengt haben die Behörden mit dem Vorgehen der Polizei gegen Sanitäter, Rechtsanwälte und parlamentarische Beobachter. So rücksichtslos und rechtswidrig ist selten im Nachkriegsdeutschland während Demonstrationen gegen unterstützende Strukturen vorgegangen worden. Wäre es nur ein Einzelfall, wäre auch das schlimm, aber es wäre nur ein Einzelfall. Während des G20 gab es so viele Vorfälle, dass von Einzelfällen kaum die Rede sein kann. Besonders bedrückend ist der Bericht von Demo-Sanitätern, die mit vorgehaltenen Maschinenpistolen gezwungen wurden ihre Hilfe einzustellen und ihren Einsatzort zu verlassen. Bei der öffentlichen Sondersitzung des Innenausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft zum „Demonstrationsgeschehen im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg, Sicherheitskonzept und Einsatztaktik der Polizei und Feuerwehr“ kam auch dieser, mehr als fragwürdige Einsatz des SEK zur Sprache. Wenn es, wie dort gesagt, in Deutschland völlig normal und üblich ist, dass das SEK einen, ihr bereits draußen auf der Straße gemeldeten Sanitätsstützpunkt unter Waffengewalt ausräumt (00:08 https://youtu.be/QMmhY3ejKVw), dann lässt das tief blicken. Das hier gekürzte Statement der „Riot Medics Berlin“ (https://twitter.com/RiotMedics/status/886513037208764416) zeichnet ein erschreckendes Bild:
„Nach einigen Tagen irritierender Presseberichterstattung sehen wir allerdings die Veröffentlichung eines Gedächtnisprotokolls aus der Freitagnacht zum Polizeieinsatz im Hamburger Schanzenviertel dringend geboten. Als sich am Freitagabend die Situation auf der Schanze zuspitzte richteten wir mit Hilfe der Berliner Left-Demonstration-Medics und der Bewohner eine Versorgungsstation in einem Hausflur an der Lerchenstraße ein. Dorthin konnten wir verletzte Personen aus akuten Gefahrenzonen bringen, untersuchen, behandeln, gegebenenfalls ihren Abtransport organisieren. Letzteres wurde aufgrund von Polizeisperren und Barrikaden im Laufe des Abends zunehmend schwieriger. Als kurz nach Mitternacht das Gebiet von Polizei-Einheiten gestürmt wurde, beschlossen wir, im Haus zu bleiben. Mit uns im Haus befanden sich zahlreiche Patienten, insgesamt waren es etwa 18 Personen. Darunter war ein Patient, dessen Zustand es erforderte, ihn liegend ins Krankenhaus zu transportieren. Versuche, einen Krankenwagen zu bekommen, waren erfolglos gescheitert und so warteten wir im Hausflur, bis sich die Situation auf den Straßen wieder beruhigen würde. Etwa um 00:50 Uhr, nachdem offenbar einige Straßen von Barrikaden geräumt wurden, verließen drei der Sanitäter das Haus, um ihren Heimweg anzutreten. Vor der Haustür trafen Sie auf eine Gruppe von Beamten einer nicht näher erkennbaren Spezialeinheit der Polizei, die sich dem Hauseingang näherte. Sie wiesen die Beamten darauf hin, dass sich in diesem Hausflur Sanitäter und Verletzte befänden. Im Hausflur selbst kam kurz darauf ein Bewohner die Treppe hinunter und sagte, er sei von der Polizei angewiesen worden, die Haustür von innen zu öffnen. Nachdem er die Tür öffnete, betraten mehrere mit Maschinengewehren bewaffnete Spezialkräfte den Flur, befahlen uns die Hände zu heben, einer von ihnen rief: “Das Spiel ist jetzt vorbei”. Direkt hinter der Eingangstür lag der schwerverletzte Patient eingewickelt in Rettungsdecken mit laufender Infusion. Im Erdgeschoss sowie auf den Treppenstufen saßen ausschließlich markierte Sanitäter, in den oberen Stockwerken warteten weitere Patienten. Mit Sturmhauben und ballistischen Westen ausgerüstet zielten die Spezialkräfte auf Köpfe und Oberkörper mehrere Sanitäter im Treppenhaus. Sie forderten uns auf, uns nicht zu bewegen und die Arme oben zu halten, sonst würden sie von ihren Schusswaffen Gebrauch machen. Die grünen Laser-Zielhilfen aus den Gewehrläufen blieben über die gesamte Zeit auf die Oberkörper derjenigen gerichtet, die im Erdgeschoss und im Treppenhaus für die Polizisten sichtbar waren. Zwei Sanitäter und eine Ärztin, die bei dem schwerverletzten Patienten am Hauseingang geblieben waren, wurden aufgefordert, den Patienten aus dem Haus zu tragen. Er sollte hinter einem gepanzerten Polizeifahrzeug abgelegt werden. Die zwei Sanitäter sollten sich mit den Händen an eine Hauswand und auseinander gespreizten Beinen aufstellen. Einem der Sanitäter wurde der Lauf einer Waffe in den Rücken gedrückt mit den Worten „Augen nach links, oder es knallt“. Die Ärztin blieb bei dem Patienten, bis wir aufgefordert wurden ihn zu einem RTW außerhalb der Polizeiabsperrung zu bringen. Wir übrigen im Hausflur verbliebenen Menschen wurden aufgefordert, langsam und mit erhobenen Händen nach unten zu gehen. Während die Zielfernrohre auf uns gerichtet blieben, mussten wir einzeln das Haus verlassen. Einige wurden abgetastet, durchsucht und bei erneuter Androhung des Schusswaffengebrauchs zur absoluten Kooperation genötigt. Nach Verlassen des Hauses wurden wir nicht weiter beachtet. Nach etwa 30 Minuten, als die die Spezialkräfte das betreffende Haus verlassen hatten, durften wir zurück in den Hausflur gehen um unserer Ausrüstung zu holen. In Begleitung von Polizeibeamten wurden wir schließlich in Richtung Neuer Pferdemarkt bis vor die Polizeikette geführt.“
Weitere Berichte von Augenzeugen zum Komplex „Demo-Sanitäter“:
- Gewalttätiger Überfall: Polizei tritt Demosanitäterin gegen den Kopf. https://www.facebook.com/Kneipe.im.Anna.und.Arthur.Lueneburg/photos/a.434145836631923.103438.422743594438814/1407923912587439/?type=3&theater https://twitter.com/VeronikaBlau/status/883353010625228800
- Demo-Sanitäter im Interview: „Man kann froh sein, dass es keine Toten gab.“ https://www.neues-deutschland.de/artikel/1058374.man-kann-froh-sein-dass-es-keine-toten-gab.html
In einem demokratischen Rechtsstaat sollte man davon ausgehen, dass auch die staatlichen Behörden ein besonderes Interesse daran haben, dass die Rechte von Festgenommenen gewahrt werden. Deshalb kann der Anspruch des Beschuldigten auf anwaltlichen Beistand nicht verwehrt werden. Aus diesem Grund haben Rechtsanwälte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit einen Anspruch auf Unterstützung durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht. Art und Umfang dieser Unterstützung sind gesetzlich geregelt. Für die Proteste gegen den G20 Gipfel hatte der „Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.“ mit bundesweiter Unterstützung einen speziellen „Anwaltlichen Notdienst zum G20 (AND)“ eingerichtet, damit festgenommene Demonstranten bei Bedarf jederzeit die Hilfe eines Anwaltes in Anspruch nehmen können. Polizei und Justiz haben die Arbeit des AND entgegen jeder Rechtslage derart behindert, das sich die Frage stellt, ob vorsätzlicher und systematischer Rechtsbruch von Anfang an geplant waren. Denn schon am 03. Juli fingen die Schikanen in der Gefangenensammelstelle (GeSa) Neuland an. Rechtsanwälten des AND wurde der Zugang zur GeSa Neuland verwehrt (https://www.anwaltlicher-notdienst-rav.org/de/node/19). Entgegen vorheriger Zusicherung durch den Justizsenator Till Steffen und dem Präsidium des Amtsgerichts Hamburg-Mitte wurde erst nach über einer Stunde Diskussion und Wartezeit der Zugang gewährt und auch dann durften sich die Anwälte nicht unbeschränkt in den zugesicherten Arbeitsräumen aufhalten. Auch in den nächsten Tagen setzten sich Schikanen und Rechtsbrüche in eine Art und Weise fort, das der AND wegen „massiver Behinderung anwaltlicher Arbeit durch Polizei und Justiz“ in einer Pressemitteilung zu Wort meldete: „Wir fordern die Polizei Hamburg und die Gerichte nachdrücklich auf, den Betroffenen ein nach Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiertes Verfahren zu ermöglichen und die massive Behinderung der Arbeit des anwaltlichen Notdienstes unverzüglich zu beenden.“ (https://www.anwaltlicher-notdienst-rav.org/de/Massive-Behinderung-anwaltlicher-Arbeit-durch-Polizei-und-Justiz-in-Hamburg) Doch damit nicht genug, Anwälte wurden wegen ihrer Arbeit von der Polizei angegriffen und körperlich misshandelt. Vorgänge die man eher in den totalitären Strukturen einer menschenverachtenden Diktatur vermuten würde:
- Auszüge aus einer Stellungnahme des AND: „Einer unserer Anwälte wurde von mehreren Polizeibeamten gepackt, ihm wurde ins Gesicht gegriffen, der Arm verdreht und dann (wurde er) aus der GeSa geschleift. Zuvor befand er sich in einem Beratungsgespräch mit einem Mandanten, der sich nach dem Gespräch komplett entkleiden sollte. Der Anwalt widersprach dieser Leibesvisitation entschieden und wurde dafür körperlich angegriffen. Wir verurteilen diesen Angriff auf unseren Kollegen aufs Schärfste. Eine Polizei, die gegen Anwälte körperlich vorgeht, die sich für ihre Mandanten einsetzen, hat jeden Bezug zum Rechtsstaat verloren.“ (https://www.anwaltlicher-notdienst-rav.org/de/K%C3%B6rperlicher-Angriff-auf-Anwalt-in-der-Gefangensammelstelle-GESA)
- 7.7. ~0:30 Anwalt des @g20_and in pinker legal team Weste will bei Übergriff helfen. BFE schlägt ihn mit Kamera ans Kinn. https://twitter.com/EA_hh/status/883121438923919360
- Anwalt am Hals gepackt und heftig gegen die Hauswand geschubst. Antwort auf Frage nach Dienstnummer: “08/15 – verpiss dich!”. https://g20-doku.org/2017/07/08/anwalt-am-hals-gepackt-und-geschubst-augenzeugenbericht/ https://twitter.com/franz_klever/status/883757360765906944
Da Sanitäter, Rechtsanwälte und Demo-Beobachter nicht Teil der Proteste sind, sondern nur „begleitende“ Strukturen, liegt es in der Natur der Sache, dass es nur wenige Bilder von Polizeiübergriffen gegen diese Personengruppen gibt. Nicht nur der parlamentarische Beobachter Norbert Hackbusch wurde bei der „Welcome to Hell“ Demonstration schwer geschubst (siehe Bild), auch andere Demo-Beobachter wurden teils massiv behindert ihrer Aufgabe nachzugehen. Eine wirklich umfassende Darstellung der Rechtsbrüche und Polizeigewalt gegen diese Strukturen ist leider nicht möglich. Die oben beschriebenen Beispiele zeigen nur einen kleinen, aber verifizierten Ausschnitt vom Gesamtgeschehen. Zumindest wird deutlich, dass nicht nur Demonstranten und Journalisten als Feindbild gesehen werden, sondern auch die dokumentierenden und unterstützenden Personengruppen. Das eingesetzte Polizeibeamte so offensichtlich rechtswidrig handeln wird in der medialen Berichterstattung leider größtenteils ausgeblendet. Ein öffentlich verbreitetes Statement von den politisch Verantwortlichen zu diesem Komplex fehlt bislang immer noch. Durch eine „Vogel-Strauss-Politik“ die eklatanten Rechtsbrüche der Polizei stillschweigend zu legitimieren ist sicher ein falsches Signal um Deutschland als leuchtendes Vorbild und Beispiel für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu bewerben.
Folter, unmenschliche Haftbedingungen und rechtswidrige Reisebeschränkungen
Die Rechtsbrüche und die Polizeigewalt beschränken sich nicht nur auf die eigentlichen Aktionen, sondern schon die Anreise ist für Einige ein Spießrutenlauf oder wird völlig verhindert. Schon an den Grenzen werden anreisende Demonstranten teils nach Gutdünken abgewiesen. Alleine dafür waren vom 12. Juni bis zum 9. Juli 3500 Beamte täglich im Einsatz. Es wurden insgesamt 61 Einreiseverweigerungen mit Bezügen zum G-20-Gipfel ausgesprochen und weitere 746 Zurückweisungen aus angeblich anderen Gründen (http://www.tagesspiegel.de/politik/aufarbeitung-der-g20-krawalle-gewalttaeter-statt-touristen/20048288.html). Bei einigen der an der Grenze Abgewiesenen wurde das Einreiseverbot noch während der Protesttage durch die Intervention des AND als rechtswidrig anerkannt und aufgehoben. Laut Innenministerium wurden anlässlich des G20-Gipfels durch das Bundeskriminalamt (BKA) Personendaten über mutmaßliche oder tatsächliche linke Aktivisten mit insgesamt 21 Ländern (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Finnland, Griechenland, Großbritannien, Italien, Island, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Schweden, Schweiz, Slowakei, Spanien, Tschechien, Ungarn, Vereinigte Staaten von Amerika) ausgetauscht (http://andrej-hunko.de/start/download/doc_download/1003-austausch-von-personendaten-von-polizeibekannten-linken-aktivisten-vor-dem-g20-gipfel). Wichtig erscheint es darauf hinzuweisen, dass dies hauptsächlich über das keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegende Netzwerk der „Police Working Group on Terrorism“ (PWGT) erfolgte. Einträge in diese Datei geschehen häufig nur auf Verdacht und werden nach Gutdünken in nationale Dateien zu „Extremisten“ überführt (https://netzpolitik.org/2017/polizeibekannte-linke-aktivisten-umfangreicher-datentausch-zum-g20-gipfel/). Dass nicht nur die grenzüberschreitende Anreise durch Polizeimaßnahmen behindert wird, sondern auch innerhalb Deutschlands die Anreise zu großen Protesten massiven Repressionen durch die Polizei ausgesetzt ist, ist hinlänglich bekannt. Seltener kommt es vor, dass sogar ein Bus der Gewerkschaftsjugend von der Polizei rausgezogen wird, um alle Insassen zu durchsuchen (https://twitter.com/DGBJu_HesTh/status/883574395536646145). Jedes Maß verloren und klar die Freiheitsrechte ignoriert hat die Polizei als Sie einen weiteren Bus mit überwiegend Jugendlichen und jungen Erwachsenen anhielt und deren Recht zu demonstrieren ad absurdum führte, indem der komplette Bus in einem Akt von Willkür direkt in die GeSa gebracht wurde. Der Kontakt zu Rechtsanwälten wurde durch die Verweigerung von Anrufen weitestgehend unterbunden. Der gesamte Vorgang und die Behandlung der Betroffenen ist so ungeheuerlich und rechtswidrig, dass einige Einzelheiten zu dem Fall hier Eingang finden. Auszüge aus dem Offenen Brief der SJD - Die Falken NRW zur 4-stündigen Gewahrsamnahme ihres Busses mit Minderjährigen und jungen Erwachsenen auf dem Weg zur Anti-G20 Demonstration (https://www.falkennrw.de/offenerbriefg20demo):
„Die Sozialistische Jugend Deutschlands - Die Falken (SJD – Die Falken) sind ein unabhängiger und selbstorganisierter, politischer und pädagogischer Kinder- und Jugendverband. Am 08.07.2017 organisierten wir einen Bus zur Großdemonstration „Grenzenlose Solidarität statt G20“ in Hamburg. Unsere Anreise war über das Bündnis „Jugend gegen G20“ in Hamburg offiziell bei der Polizei und dem ZOB (Zentraler Omnibusbahnhof Hamburg) angekündigt. Ab ca. 7.00 Uhr wurde unser Bus von mehreren Polizeiwagen eskortiert, die verhinderten, dass wir von der Autobahn abfuhren. Erst gegen 7.45 Uhr wurden wir auf einen Rasthof unmittelbar vor Hamburg geleitet. Vor Ort standen ca. 30 Polizist*Innen die sich ihre Schutzausrüstung anzogen und den Bus umstellten. Einige Zeit später tauchten 50 BFE’ler*innen (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten) auf, die in voller Montur die vorherigen Polizist*innen ablösten. Sie setzten ihre Helme auf und zogen sich Handschuhe an. Einzelne BFE’ler machten Drohgebärden in Richtung unserer Jugendlichen. Der Einsatzleiter stellte klar, dass von uns „ab sofort keine hektischen Bewegungen mehr durchzuführen“ seien. Einige Zeit verging, ohne dass etwas passierte. Schließlich teilte uns der Einsatzleiter mit, dass wir nun in ein „gesichertes Objekt“ gebracht würden, um dort unsere Personalien aufzunehmen und uns zu durchsuchen. Danach könnten wir dann „möglicherweise zur Demonstration weiter“. Wir wurden erneut in einer Eskorte von ca. 10 Polizeifahrzeugen zu einem uns nicht bekannten Ort gebracht. Erst kurz vor der Einfahrt erkannten wir, dass es sich um die Gefangenensammelstelle (GeSa) in Hamburg-Harburg handelte. In der GeSa angekommen wurden wir einzeln nacheinander heraus gebeten, und wurden durchsucht. Dabei war die Behandlung sehr unterschiedlich. Einige wurden neutral behandelt – andere wurden geschlagen, mit ihren Händen auf dem Rücken abgeführt oder ihnen wurden Handschellen angedroht. Einige der Jugendlichen mussten sich komplett nackt ausziehen (andere bis auf die Unterwäsche) und wurden dann intensiv abgetastet. Bei den WC-Gängen mussten bei allen die Türen offen bleiben. Der Hinweis, dass wir Minderjährige im Bus haben, ein Jugendverband sind und zu einer angemeldeten Demonstration wollten spielte dabei keine Rolle.“
Im Nachgang haben mehrere Mitglieder des Falken-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen Klage gegen die Stadt Hamburg eingereicht. Der nordrheinwestfälische Landesverband der Falken teilte inzwischen mit, dass ihn eine Entschuldigung durch den Polizeipräsidenten Ralf-Martin Meyer erreicht habe. Dazu erklärt Paul M. Erzkamp, NRW-Landesvorsitzender der Falken: "Wir bedanken uns für die Entschuldigung des Senates und des Polizeipräsidenten für die Vorkommnisse in Hamburg und die Einsicht, dass es sehr wohl Fehler in der Arbeit der Polizei gab. Dies kann aber natürlich nur ein erster Schritt sein." An den eingereichten Klagen halte man fest. Während der Sitzung des Innenausschusses am 19. Juli hatte der Innensenator Andy Grote (SPD) auf Nachfrage versucht sich rauszureden, dass die Kontrolle auf einem "Übertragungsfehler" des Buskennzeichens basiert habe, das sei ein Vorgang, "für den man sich nur entschuldigen kann". Es fällt schwer zu glauben, dass ein angemeldeter Bus ohne jede Absicht fälschlicherweise mit einem so massiven Polizeiaufgebot aus dem Verkehr gezogen wird. Spätestens nachdem der Bus gestoppt wurde hat die Polizei gewusst wen sie da angehalten haben. Bei einer so wachsweichen Erklärung durch den Innenminister kann man ihm nur unterstellen, die tatsächlichen Motive für die rechtswidrige Gewalt gegen die Jugendlichen verschleiern zu wollen.
Fensterlose Einzelzelle und Zellencontainer in der Gefangenensammelstelle (GeSa) in Hamburg-Harburg
Die Zustände in der GeSa Harburg sind alles andere als menschenwürdig. Fensterlose Zellen-Container sind in einer großen Halle aufgestellt, die Einzelzellen mit 3 m² und die Sammelzellen für 5 Personen mit 9 m² sind allenfalls für sehr kurze Zeit zumutbar. Auch der Ermittlungsausschuss beklagt die Zustände dort mit deutlichen Worten: „Trotz der vorhandenen Kapazität werden Zellen in der Gefangenensammelstelle in Harburg ohne Not überbelegt. So wurden einzelne Zellen mit acht statt mit den vorgesehen fünf Personen belegt. In den Zellen herrschten Temperaturen von über 35 Grad. Entgegen vorheriger Ankündigung gab es für die Gefangenen keine klimatisierten Zellen. Gefangene berichten, dass sie über 24 Stunden lediglich zwei Knäckebrote zu essen bekamen“ (https://g20ea.blackblogs.org/2017/07/08/razzien-und-festnahmen-zum-ende-des-gipfels/). Auch ein leitender Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes bestätigt üble Zustände in der GeSa. „Das war für mich wie eine Folter“, kommentierte er seinen fast 24 Stunden dauernden Aufenthalt in der GeSa. Er wurde stündlich geweckt und bekam in 14 Stunden nur Wasser und Knäckebrot (http://taz.de/!5426782/).
Nils Jansen, Geschäftsführer der „Verdi-Jugend NRW Süd“ bezeichnet die Zustände in der GeSa als entwürdigend. Jansen, auch während der Proteste festgenommen, berichtete: „Wir mussten uns vor der Polizei nackt ausziehen, die Kolleginnen wurden gezwungen, unter den Augen der Polizei ihre Tampons herauszunehmen und bekamen anschließend keine neuen.“ „Alle außer den Minderjährigen wurden über 30 Stunden in einen fensterlosen Container gesperrt, bevor wir für weitere 24 Stunden in die JVA verlegt wurden.“ Auch nachts habe in der GeSa grelles Neonlicht gebrannt, teils hätten alle 20 Minuten Polizisten gegen die Türen gehämmert, um die Betroffenen am Schlafen zu hindern. „Essen und Trinken gab es oft nur nach stundenlangem Warten. Wer auf die Toilette musste, wurde dorthin im Polizeigriff eskortiert.“ Er selbst habe seinen Anwalt erst nach 14 Stunden, einen Richter nach 30 Stunden zu Gesicht bekommen (https://www.jungewelt.de/artikel/314312.uniformierte-chaoten-drehten-frei.html).
In einem anderen Fall wurde eine Person während der Festnahme gefoltert und die Nase gebrochen. In der GeSa wurde trotz Verletzung die notwendige ärztliche Hilfe erst nach Stunden und auch das nur mangelhaft gewährt. Drei Abschnitte aus dem Protokoll dieses polizeilichen Übergriffes lassen erahnen, welchen Schaden der Betroffene genommen haben muss (https://www.neues-deutschland.de/artikel/1057141.sie-haben-gedroht-mich-umzubringen.html):
- Im nächsten Augenblick hatte ich eine Hand im Gesicht, die mich an die Tür hinter mir gedrückt hat. Ein anderer Polizist hat meine Hand nach hinten gezogen und mir meinen Daumen brutal nach unten gedrückt. Ein Polizist sagte wortwörtlich, dass »sie mich weich machen werden« und mir »die Knochen brechen werden«. Die Polizei schlug mir mit der flachen Hand mehrmals ins Gesicht. Sie sagten, ich solle mich nicht so anstellen und sie würden mir nur zurückgeben, was meine Leute ihnen in der Schanze angetan haben.
- Sie nahmen mich in einen Griff, bei dem sie mir die Arme verdrehten und meinen Kopf bis auf Kniehöhe nach unten drückten. Ich wusste nicht, wohin wir gingen. Ich sah nur den Boden unter mir. Während sie mich so abführten, beleidigten sie mich. In Erinnerung geblieben sind mir die Worte »Dreckszecke«, »Muschi« und »Kanacke«. Sie sagten auch noch, dass man die Zecken ausräuchern sollte. Immer wieder sprachen sie über die Gewalt gegen die Polizei und dass »wir« das jetzt zurückbekommen werden. Einer sagte zu mir er würde mir aus einem Meter Entfernung ins Gesicht wichsen. Jedes Mal wenn wir an einen Bordstein kamen, drückten sie mich extra runter und machten Kommentare wie »Fall bloß nicht«. Ich musste mich jedes Mal bemühen, nicht zu stolpern. Dann passierten wir zwei Laternenpfähle. Bei dem zweiten ließen sie mich direkt gegen den Pfeiler laufen. Erst im letzten Moment wendeten sie mich ab – ich hätte noch einmal Glück gehabt, sagten sie. Sie haben mir gesagt, dass sie mich umbringen werden. In dem Moment habe ich ihnen das geglaubt.
- Sie fragten mich, ob ich friedlich sei. Ich sagte Ja. Daraufhin schlug mir einer von ihnen erneut mit der flachen Hand ins Gesicht. Bei dem Schlag brach wahrscheinlich meine Nase. Irgendwann drückten sie mich gegen ein Auto. Ich blutete aus der Nase.
Nach diesen Quälereien dauerte es noch etwa 2 Stunden bis zum Abtransport in die GeSa, dort weitere 3 Stunden bis eine Ärztin nach der Verletzung sah und innerhalb kurzer drei Minuten die falsche Diagnose stellte, dass die Nase nicht gebrochen sei. Nach insgesamt 11 Stunden wurde der Gefolterte ohne jede weitere Erklärung wieder aus der GeSa entlassen.